Berichte 2011

Auch aus diesem Grund war der Museumsverein vom Landtag Baden-Württemberg eingeladen und durfte sich und seine Arbeit mit einem Stand im Foyer dem Landtag und seinen geladenen Gästen präsentieren. Der Museumsverein konnte hierbei wichtige Kontakte knüpfen und vertiefen.
Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) würdigte in seiner Gedenkrede die Bedeutung des lokalen und von bürgerschaftlichem Engagement getragen Gedenkens als „Rückgrat und Kraftquelle der wehrhaften Demokratie“. Gerade unter dem Eindruck des wieder verstärkt zu Tage tretenden Rechtsradikalismus sei es wichtig, ein Zeichen zu setzen für Geschichtsbewusstsein und Zivilcourage, sagte der Präsident. „Wir haben vergangenen Herbst erfahren müssen, dass es in Deutschland möglich war, über eine Dekade lang eine Serie kaltblütiger, rassistisch motivierter Morde zu begehen.“
„Wir dürfen unsere Gesellschaft nicht für vollständig geläutert halten“, folgerte Wolf. Der braune Ungeist lebe vielgestaltig weiter – in Springerstiefeln genauso wie in feinem Zwirn. Viele
schauten bisweilen nicht genau genug hin, wollten es gar nicht so genau wissen. Und aus Erkenntnissen folgten nicht immer konsequent die notwendigen Handlungen; selbst staatliche Organe
versagten. Wie der Landtagspräsident weiter ausführte, dürfe die Vergangenheit nicht in den Geschichtsbüchern verschwinden. Sie müsse gleichsam dreidimensional bleiben und feste Adressen
haben.
Das Grundgesetz ist laut Wolf „die Verfassung gewordene Lehre aus der Nazi-Despotie, deren Verbrechen und deren Vorgeschichte“. Aber sämtliche juristischen und institutionellen Sicherungen
genügten nicht, Freiheit und Demokratie bräuchten einen vorgelagerten Schutz. „Jede Bürgerin und jeder Bürger ist persönlich aufgerufen, unsere Verfassung, die darin verbrieften Menschenrechte
und damit unsere Mitmenschen zu verteidigen. Substanziell betrachtet sind wir alle die eigentlichen Verfassungsschützer“, schloss der Landtagspräsident.

Wir danken dem Verein Jüdisches Leben im Kraichgau e.V. für logistische Hilfe und dafür, daß wir einen kleinen Teil unserer gemeinsamen Ausstellung „Gegen das Vergessen“ mit nach Stuttgart nehmen
konnten, Herrn Pfarrer Binder und seiner Frau aus Wiesloch-Baiertal für ihre Unterstützung und Herrn Detlev Ernst
(hier im Bild am Stand des Museumsvereins im Gespräch) von der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen in Baden-Württemberg bei der Landeszentrale für politische
Bildung Baden-Württemberg für sein nachhaltiges Interesse an Flehingen.

Auf den Spuren der jüdisch-christlichen Vergangenheit in Flehingen: Exkursion am 6. Mai 2011
Mit Spannung warteten die Mitglieder des Museumsvereins Flehingen-Sickingen auf ihre Gäste: Wieviele würden tatsächlich kommen? Der Verein Jüdisches Leben Kraichgau e.V. hatte zum externen Stammtisch eingeladen. Nach Neidenstein und Obergrombach hieß das Ziel diesmal Flehingen. Ausgangspunkt des Rundgangs war die Schloßgartenhalle. Von da aus ging es mit schließlich über fünfzig Gästen mit einem Kleinbus zur ersten Etappe am jüdischen Friedhof. Herr Volker Geisel, den evangelischen Flehingern ein vertrautes Gesicht, nahm die Gäste dort in Empfang und erzählte von den Jenseitsvorstellungen und Bestattungsritualen in der jüdischen Religion und den regionalen Ausprägungen.

Herr Helmut Schmitt, Ortsvorsteher von Flehigen, begrüßte dort die Gäste aus Eppingen und Umgebung, aus Sinsheim, Neidenstein, Heilbronn, Zaberfeld, Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg und Tel Aviv. Er wies darauf hin, daß die Gemeinde Oberderdingen ja schon seit längerem Partnergemeinde des Vereins Jüdisches Leben Kraichgau sei und dessen Arbeit nachdrücklich unterstütze. Danach dankte der Vorsitzende des Vereins, Herr Michael Heitz, für den informativen Rundgang und den überaus gelungenen Abend. Bei vielen Gästen blieb die Flehinger Geschichte Thema des ganzen Abends und viele äußerten sich begeistert darüber, daß dieser für das jüdische Kraichgau so wichtigen Ort endlich Aufmerksamkeit findet.

Danach ging es mit dem Bus zurück zum Schloß Flehingen, wo zwei Biedermeier-Damen aus dem Hause Brigitte Springer allgemein in die Geschichte Flehingens und des Hauses Wolff-Metternich einführten. Juden wohnten mit gräflicher Erlaubnis seit 1548 hier. Viele ließen sich aber erst nach dem 30jährigen Krieg im völlig verwüsteten Ort nieder und trugen durch ihre Handelsaktivitäten maßgeblich zum Wiederaufbau bei. Die Blütezeit des jüdischen Flehingen lag aber in der Biedermeierzeit. Mit bis zu 15 % der Bevölkerung war Flehingen eine bedeutende jüdische Gemeinde, was sich auch in den Bauaktivitäten und Gebäuden wiederspiegelt.

Der dritte Teil des Rundgangs beschäftigte sich mit dem ehemaligen Standort der neuen Synagoge, die am 1. Mai 1874 eingeweiht worden war. Sie stand ehedem neben dem Gelände der Volksbank, prominent in der Dorfmitte bei Schloß und Rathaus. Herr Wolfgang Schönfeld aus Zaberfeld führte durch diesen Teil der Exkursion. Besonders beeindruckt waren die Gäste von den von Herrn Schönfeld selbst aufwendig erstellten graphischen 3-D-Rekonstruktionen einer der schmuckesten Synagogen im Kraichgau, die 1938 vpn den Nazis zerstört wurde. Anschließend stellte er einen Teil seiner Forschungsarbeit über die auch in Flehingen ansässige Familie Weingärtner vor, die das direkt angrenzende Haus bewohnten. Zu ihrem Schicksal vor und nach der Auswanderung in die USA gab es später in der Schloßgartenhalle von ihm noch einen illustrierten Vortrag mit zuvor nie öffentlich gezeigten Aufnahmen.

Im vierten Teil ging es ins Hinterdorf, vorbei am Gebäude der früheren jüdischen Bäckerei, dem damaligen Textilladen und der ehemaligen Metzgerei in eines der größten Viehhandelshäuser Flehingens, nämlich dem der Familie Schlessiger. Dort im Stall für die Zwischenlagerung von bis zu 32 Tieren berichtete Frau Ute Coulmann von den wirtschaftlichen Grundlagen der jüdischen Landbevölkerung, den Fernhandelsbeziehungen bis Ulm und Basel und ihrer Forschungsarbeit zu den Handelskonditionen zwischen jüdischen Händlern und christlichen Bauern, die durchweg so gestaltet waren, daß sie beiden Seiten zum Vorteil gereichten. Vorbei an der alten Synagoge, die bis 1874 in Gebrauch war, ging es dann zu Fuß zurück zur Schloßgartenhalle.

Der Museumsverein dankt allen Interessenten für ihr Kommen und ihr nimmermüdes Interesse, dem Exkursion-Team Herrn Volker Geisel, Frau Brigitte Springer, Herrn Wolfgang Schönfeld und Frau Ute Coulmann für die vielen spannenden Recherchen und die gelungene Präsentation, Herrn Günter Zeller und Herrn Volker Reeck für die Organisation des Bustransfers, Frau Elisabeth Hilbert für die freundliche und hilfreiche Koordinationsarbeit, Herrn Stromann-Beuer für die Aufnahmen, Herrn Helmut Schmitt für sein freundliches und prägnantes Grußwort, der Gemeinde Oberderdingen für den Zugang zum jüdischen Friedhof und Herrn Pfarrer Horst Nasarek aus Münzesheim für seinen religionsgeschichtlichen Beistand.

Schloßführung in Flehingen
am 23. Oktober 2011
Im Rahmen der Flehinger Kerwe wird der Museumsverein ein besonderes Stück Heimat präsentieren: Eine Führung durch das Flehinger Schloß. Das Exkursionsteam des Vereins wird Geschichtsinteressierten jeweils um 14:30 und um 16:30 Uhr das ehemalige Wasserschloß von außen und innen zeigen. Zugänglich sind, zum Teil erstmals und nur an diesem Tag, Räume aus allen wichtigen Epochen des ortsbildprägenden Gebäudes. Die Führung erzählt von der Zeit als Herrschafts- und Verwaltungssitz, dem Wandel zur Zöglings- und Erziehungsanstalt und schließlich seiner jetzigen Nutzung als Bildungszentrum. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Treffpunkt ist am Sonntag, den 23.10.2011 vor dem Schloß. Die Führung wird jeweils ca. 60 Minuten dauern und findet bei jedem Wetter statt. Der Verein würde sich über eine Spende freuen.

Umbenennung des Holzmarktes in Otto-Oppenheimer-Platz
Museumsverein in Bruchsal
Für den Sonntag, den 22. Mai 2011, hatte den Museumsverein eine besondere Einladung erreicht. Die Oberbürgermeisterin von Bruchsal, Frau Petzold-Schick, benannte gegen 15:00 Uhr in einem Festakt den bisher als Holzmarkt bekannten Platz in Otto-Oppenheimer-Platz um.
Diese Umbenennung war im Gemeinderat von Bruchsal zunächst freudig begrüßt worden. Lange Zeit war allerdings unklar, welcher Platz dem ehemaligen jüdischen Bürger gewidmet werden sollte. Nach fast einem Jahr einigte man sich dann doch auf die prominente Stelle direkt an der Kaiserpassage.
Otto Oppenheimer war ein Tuchhändler und wurde 1875 in Bruchsal geboren. Am 27. April 1901 feierte er seinen Junggesellenabschied. Hier wurde das von ihm geschriebene Lied „Brusler Dorscht” erstmals vorgetragen. In diesem Text vermacht der von Otto Oppenheimer erfundene Graf Kuno den Bruchsalern nichts als seinen Durst. Der Graf wird prompt eine zentrale Figur der Bruchsaler Fasnet und ist es bis heute geblieben. Der Autor war tragendes Mitglied der Großen Karnevalsgesellschaft Bruchsal und Mitbegründer des städtischen Kunstvereins. Neben dem „Dorscht“ hat er viele Gedichte voller Witz und Humor verfaßt. 1938 mußte er die Tuchhandlung verkaufen und emigrierte zunächst in die Schweiz und dann 1941 in die USA. Er starb 1951.

Für alle Besucher war es eine besondere Freude, daß zwei Enkel und eine Enkelin von Otto Oppenheimer der Einladung der Stadt nachgekommen waren. Sie reisten extra aus den Staaten für den Festakt an. Zunächst begrüßte die Oberbürgermeisterin in einer kurzen Ansprache alle Gäste, insbesondere natürlich die inzwischen selbst zur älteren Generation gehörenden Nachfahren als Ehrengäste.

Diese hielten ebenfalls kurze Reden, in denen sie das Engagement der Verwaltung und den Mut der Bruchsaler zur Versöhnung lobten und betonten, daß sie der Einladung gerne und ohne jedes Ressentiment nachgekommen seien. Sie brachten ihre noch immer bestehende Verbindung zur Stadt Bruchsal und vor allem ihre Freude über die Würdigung ihres Großvaters zum Ausdruck. Die letzte Rede endete mit den leidenschaftlichen Worten: God bless Bruchsal!
Alle waren überwältigt von dieser unerwarteten amerikanischen Ehrenbezeugung und klatschten lange und begeistert. Mit musikalischer Unterstützung der Bruchsaler Gesangsvereine sangen dann die Besucher gemeinsam den „Brusler Dorscht“. Und mit diesem fröhlichen Auftakt begann auf dem Otto-Oppenheimer-Platz schlagartig die ganz große Party: Unterstützt durch strahlenden Sonnenschein heizten Guggenmusik und Faschingshits der Stimmung so ein, daß es nicht einmal die amerikanischen Gäste auf den Stühlen hielt. Einige tanzen spontan, viele schunkelten und sangen oder klatschten die Schlager mit. Ausgelassen feierten Bruchsaler und Gäste in bunter Mischung von Krawatte, Haremshosen, Trachtenanzug, Sommerkleid, Blues Brothers und Fahrraddress.
Und dazwischen spielten sich auch noch ganz andere Szenen ab: immer wieder waren Bruchsaler schnell nach Hause gelaufen und brachten Fotoalben und Briefe vorbei, die von den Beziehungen zwischen der beliebten Familie Oppenheimer und ihrer alten Heimat erzählten und standen Schlange bei den Oppenheimers, um sie gemeinsam durchzusehen. Hätte nicht anschließend noch der Empfang im Rathaus stattgefunden, die Ehrengäste wären wohl gar nicht mehr zur Ruhe gekommen. Aber die Brusler feierten einfach weiter, übermütig und voller Frohsinn, haben sie doch als Hinterlassenschaft des Grafen Kuno den alten Brusler Dorscht geerbt...

„ ... für der Freiheit Rechte, für der Freiheit Reich.
Wir sind keine Knechte, wir sind alle gleich.“
Festakt zum 200. Geburtstag von Friedrich Hecker in Angelbachtal
Eine Feier zum 200. Geburtstag von Friedrich Hecker auf Einladung der Gemeinde Angelbachtal durfte sich der Museumsverein nicht entgehen lassen. Der Revolutionär und Freiheitskämpfer war am 28. September 1811 in Eichtersheim geboren worden. Er war zu seiner Zeit ein Volksheld an der Spitze der badischen Demokratiebewegung von 1848/49. Viele seiner Forderungen von damals sind im Grundgesetz Realität geworden.
Von 1830 bis 1834 studierte Friedrich Hecker Jura in Heidelberg. 1842 wurde er in den Gemeinderat von Mannheim gewählt und wenig später auch in die Zweite Badische Kammer nach Karlsruhe. Hecker setzte sich für die Abschaffung der Todesstrafe und der Monarchie ein und für die Einführung einer parlamentarischen Republik. Gemeinsam mit Gustav von Struve unternahm Friedrich Hecker am 13. April 1848 von Konstanz aus einen bewaffneten revolutionären Aufstand, der als Heckerzug in die Geschichte eingegangen ist. Sein Trupp von anfänglich 30-50 Mann wuchs innerhalb einer Woche zwar auf rund 800 Teilnehmer an, doch wurden sie am Fuß des Schwarzwaldes von Einheiten des Deutschen Bundes besiegt. Das Gefecht von Kandern forderte mehrere Menschenleben. 1848 emigrierte Hecker in die USA. Ab 1856 setzte er sich dort für die Abschaffung der Sklaverei und die Wahl Abraham Lincolns ein. Er kämpfte im amerikanischen Bürgerkrieg und wurde später ein bekannter Winzer, der sich auch um die Bekämpfung der Reblaus verdient machte. Hecker starb 1881 in Illinois.
Der Festakt in der Sonnenberghalle bildete den Höhepunkt der vielen Feierlichkeiten. Nach einer Begrüßung durch den Bürgermeister Herrn Frank Werner, der auch den Abend moderierte, führte uns die renomierte Hecker-Biographin Frau Prof. Sabine Freitag von der Ludwig-Maiximilians-Universität München durch die wichtigen Stationen des Lebens von Friedrich Hecker.
Tiefer in die Mitte des 19. Jahrhunderts entführten uns dann die Biedermeier-Kostümtruppe des Tanzsportclubs Angelbachtal. Umrahmt wurden die Programmpunkte von Revolutionsliedern und Szenen, dargebracht vom Friedrich-Hecker-Theater in Sinsheim. Besonderer Gast war der Ur-Ur-Enkel Eduard Hecker aus St. Louis, der extra für die Feier angereist war. Und dann gab es noch Heckerhüte, Kokarden, Heckerwein und allerlei andere badische Revolutionsausstattung und die sehenswerte Ausstellung „Friedrich Hecker- Zwischen Mythos und Vermarktung“ im Foyer. Am Ende sangen alle gemeinsam das Hecker-Lied. Vielen Dank, daß wir dabei sein durften.
Wer das Heckerjahr noch mitfeiern will, dem sei die Ausstellung im Badischen Landesmuseum: Friedrich Hecker: Leben und Mythos eines Revolutionärs 1811-1881 empfohlen. Sie läuft seit dem 28.9.2011 noch bis zum 8. Januar 2012 und ist jeweils dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.


Ausflug in das „jüdische Mannheim“
An der Oktober-Exkursion des Partnervereins Jüdisches Leben Kraichgau e. V. am 16. Oktober 2011 nach Mannheim nahm auch der Museumsverein Flehingen-Sickingen e. V. teil und ließ sich ausführlich zur jüdischen Geschichte Mannheims informieren. Die Thematik wurde den zahlreichen Teilnehmern exemplarisch anhand verschiedener Beispiele aus Geschichte und Gegenwart nahe gebracht.
Im Schlosshof berichtete zu Beginn Frau Stefanie Appel von der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg über die Entwicklung der Stadt Mannheim und stellte erste Verknüpfungen zur Bedeutung der Juden in der Quadratestadt her.
Die Grundsteinlegung für die Errichtung der Festungs- und Garnisonstadt fand im März 1606 statt, und bereits 1650 fanden erste jüdische Familien, die aus Pfeddersheim bei Worms stammten, und ebenso sephardische Juden aus Portugal in der Stadt Aufnahme. Schon 1660 erhielten sie von Kurfürst Karl I. Ludwig eine Konzession, die ihnen die freie Berufswahl, den Erwerb von Grundbesitz und auch die Errichtung einer Synagoge ermöglichten. Von Sondersteuern wurden sie allerdings nicht ausgenommen.

Nach der Zerstörung der Stadt während des Pfälzischen Erbfolgekriegs im Jahr 1689 durch die Franzosen entstand die jüdische Gemeinde neu. Die Zuwanderung von Familien wurde begrenzt, zunächst auf nur 84 Familien. Aber bereits 1717 wurden 200 Familien zugelassen, auch im Hinblick auf die erwartete wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, die an Bedeutung gewann, nachdem 1720 mit dem Bau des Mannheimer Schlosses, dem zweitgrößten Barockschloss Europas, begonnen und die Residenz von Heidelberg nach Mannheim verlegt wurde. Die Juden stellten damals ein Achtel der Mannheimer Bevölkerung und hatten einen nicht unerheblichen Anteil am Aufschwung des Bürgertums der Stadt.
Im 18. Jahrhundert gab es bereits 18 jüdische Hoffaktoren, was die Bedeutung der Judenschaft für Regent und Stadt aufzeigt. Es kam zur Gründung von Privatsynagogen, die sich nur reichere Juden leisten konnten. Die Mehrheit der jüdischen Bürger lebte in bescheidenen Verhältnissen und sah ihre wirtschaftliche Tätigkeit im Handel mit Tuchen, Getreide, Tabak und Eisen.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewann die Beteiligung der jüdischen Kaufleute an der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt immer größere Bedeutung. Viele neu entstehende Industrien wurden von Juden mit finanziert. Insbesondere das Bankhaus Ladenburg ist in diesem Zusammenhang zu nennen.
Diese wirtschaftliche Blüte der Stadt zeigte sich auch in der zunehmenden Zahl jüdischer Bürger. 1875 gab es bereits fast 4000 Juden in der Stadt, etwa 7% der Gesamtbevölkerung. Die größte Zahl wurde 1925 erreicht mit ca. 7000 Einwohnern.
Auch auf kulturellem Sektor gewannen Juden in Mannheim besondere Bedeutung. Erwähnt wurde von Frau Appel in der Nähe der heutigen Reiss-Engelhorn-Museums die Gründung der August-Lamey-Loge, die nach dem badischen liberalen Politiker benannt wurde, der 1849 die rechtliche Gleichstellung der Juden in Baden bewirkte. Die Loge, die im Quadrat C4 in einem von Juden gekauften Gebäude untergebracht war, verstand sich einerseits als Verein zur Pflege der Geselligkeit, anderseits war sie der Förderung von Toleranz, Humanität, Wohlfahrt und der Aufklärung über das Judentum verpflichtet. In Mannheim gab es auch den von Max Sinsheimer gegründeten Liederkranz, der durch seine Aufführungen im Mannheimer Rosengarten immer ein Publikumsmagnet war. Der Wanderverein Blau-Weiß bot für Kinder und Jugendliche ab 1913 vielfältige Möglichkeiten zu Aktivitäten, die sehr den Unternehmungen der Wandervogelbewegung in Deutschland verwandt waren. Besonders hervorgehoben wurde von Frau Appel Dr. Ludwig Frank, der für Mannheim als erster jüdischer Abgeordneter im Reichstag saß und im Arbeiterviertel im Vorort Neckarstadt mit anderen zusammen eine große Lesehalle finanzierte.
Der Zivilisationsbruch durch den aufkommenden Nationalsozialismus hinterließ auch im jüdischen Mannheim tiefe Spuren. Davon zeugt das in der unmittelbaren Stadtmitte beim Paradeplatz errichtete Mahnmal für die Holocaust-Opfer. Der Glaskubus enthält in Spiegelschrift die 2400 Namen der durch die Nationalsozialisten ermordeten Mannheimer Juden. Durch die Schwierigkeiten beim Entziffern der Namen jeweils auf der gegenüberliegenden Glaswand ist der Betrachter gezwungen, mit seinem Blick die Leere im Glaskubus zu überwinden, die durch das Fehlen der damaligen jüdischen Bevölkerung gewissermaßen entstanden ist.

Ein weiterer Themenkomplex schloss sich am Herschelbad, dem Stadtbad in Mannheim an. Der jüdische Kaufmann Bernhard Herschel stiftete der Stadt 1905 in seinem Testament eine halbe Million Goldmark mit der Auflage, im Stadtgebiet ein Hallenbad zu errichten und zu betreiben. Die große Anlage (es gibt drei Schwimmhallen, Wannenbäder, ein Römisch-Irisches Bad, ein Sonnenbad sowie als Kuriosum früher sogar ein Hundebad) ist seit 1920 in Betrieb und wird gegenwärtig generalsaniert.
Zum Abschluss der Exkursion wurde die Gruppe von Frau Dr. Esther Graf im jüdischen Gemeindezentrum in F3 willkommen geheißen. Bei Kaffee und Kuchen gab es ausführliche Informationen zur Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Mannheim, die ihren Anfang nahm mit der Gründung einer ersten Synagoge etwa um 1660 im Quadrat F2. Dort befand sich später die Hauptsynagoge, die ihren Namen bekam, weil es in F1 noch die Lemle-Moses-Klaus gab, eine Talmudschule verbunden mit einer Synagoge, und im früher selbständigen Vorort Feudenheim ebenfalls noch eine Synagoge. Die im Pfälzer Erbfolgekrieg zerstörte Synagoge wurde durch die Hauptsynagoge im romanischen Rundbogenstil ersetzt, die 1855 eingeweiht werden konnte. Eine Auseinandersetzung über den Einbau einer Orgel führte schließlich zur Abwanderung des orthodox ausgerichteten Teiles der Gemeinde in die Lemle-Moses-Klaus. Beide Synagogen wurden im Zuge des Novemberpogroms 1938 so stark zerstört, dass ihr Abriss unvermeidlich wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die jüdische Gemeinde sich neu zu orientieren und nutzte unterschiedliche Räumlichkeiten im Stadtgebiet zur Abhaltung ihrer Gottesdienste. Im Jahre 1987 konnte schließlich das neue Gemeindezentrum in F3 eingeweiht werden. Es enthält neben der modern gestalteten Synagoge, in der weitere Fragen zum Leben der jüdischen Gemeinde gestellt und beantwortet wurden, einen großen Festsaal, mehrere Clubräume, eine Mikwe, eine koschere Küche, einen Gymnastikraum, Büroräume und Wohnungen, die vermietet werden. Einen zahlenmäßigen Zuwachs verzeichnete die Gemeinde in den 90er Jahren, als viele Juden aus den GUS-Staaten nach Mannheim kamen. Heute besteht die Gemeinde aus etwa 500 Mitgliedern.
Für die ausgesprochen informative Veranstaltung danken wir dem Verein Jüdisches Leben Kraichgau e. V. in Eppingen und insbesondere den beiden Leiterinnen der Führung Frau Dr. Esther Graf und Frau Stefanie Appel. (ws)

Museumsverein auf dem 20. Flehinger Weihnachtsmarkt 2011
Alle Jahre wieder stellt der Museumsverein aus den schönsten Photographien, die uns überlassen werden, einen ortsgeschichtlichen Kalender zusammen. Alle Jahre wieder gibt es ihn auf dem Flehinger Weihnachtsmarkt und im Anschluß in der Flehinger Postagentur direkt bei unserem Schatzmeister. Dort können auch die zurückgelegten Kalender noch abgeholt werden.
Er kostet 10.- Euro und es gibt ihn, solange eben der Vorrat noch reicht.
Besonderer Dank gilt dem Kalenderteam um Frau Ellen Rausch, Herrn Volker Reeck und Frau Brigitte Springer, die wieder wunderbare Bilder für die einzelnen Jahreszeiten gefunden haben. Danke für den Standdienst sagen wir bei Herrn Volker Geisel, Frau Ellen Rausch, Herrn Udo Katzenmaier und unserem Vorstandsteam Frau Sabine Zimmermann, Frau Ute Coulmann und Herrn Günter Zeller. Dank gebührt aber auch allen, die unserem Kalender treu bleiben - alle Jahre wieder.

Zu Besuch in Bad Rappenau
Am 9. September 2011 gab es vom Heimat- und Museumsverein e. V. Bad Rappenau eine Führung durch den Ort unter der Thematik „Geschichte der Rappenauer Juden“, an der auch der Museumsverein Flehingen-Sickingen e. V. teilnahm. Die etwa 30 Besucher wurden von Erich Schuh, dem 2. Vorsitzenden des Vereins zunächst in die „Grünspange“ geführt. In der Parkanlage, die sich heute in einer Länge von 800 m vom Wasserschloss bis zum Kurpark durch Bad Rappenau zieht, befindet sich ein Gedenkstein für Zwangsarbeiter aus der Außenstelle des KZ Natzweiler-Struthof im Elsass. Sie mussten gegen Kriegsende auf dem Gelände der heutigen Parkanlage eine Fliegerbombe entschärfen, kamen aber dabei ums Leben und wurden als Christen auf dem jüdischen Friedhof in Binau beerdigt.
Die Tatsache der Beerdigung von Christen auf einem jüdischen Friedhof zeigte insgesamt die Thematik der Demütigung auf, die Juden auch in Bad Rappenau zu erdulden hatten. Die Gemeinde besaß an der Straße nach Siegelsbach einen eigenen Friedhof, der seit 1881 genutzt wurde.
Etliche der Häuser, die früher in jüdischem Besitz waren, sind heute noch erhalten. So liegen in der Babstadter Straße die Häuser der Familien Holland und Herbst. Familie Herbst (im Volksmund genannt Herbschde Maiers) betrieb einen Kolonialwarenladen. Zur Ortsmitte hin fand ein Gebäude besondere Beachtung, an dessen Stelle sich früher die Gaststätte Hirsch befand, deren Besitzer den gleichen Namen wie sein Gasthaus hatte. Es war eine koschere Schankwirtschaft, wurde allerdings später auch für Zusammenkünfte der Hitlerjugend genutzt und als Abholstelle für Kriegsgefangene, die in der örtlichen Landwirtschaft arbeiten mussten.
Nicht weit entfernt befinden sich in der Straße Am Schafgarten zwei weitere Gebäude, die zur ehemaligen jüdischen Gemeinde gehörten. Der „Judenhof“ war das Haus des Rabbiners, während sich im heute ganz umgebauten Gebäude mit der Hausnummer 2 die frühere Synagoge befand. Diese wurde bereits 1937 von der jüdischen Gemeinde verkauft. Weil damals nur noch 10 Juden in Rappenau lebten, wurde die Gemeinde aufgelöst.
Zur Erinnerung an die letzten 5 Rappenauer Juden, die am 22. Oktober 1940 zusammen mit allen badischen und saarpfälzischen Juden in das Internierungslager Gurs nach Südfrankreich deportiert wurden, ist in der Kirchenstraße eine Gedenksäule aufgestellt worden. Es ist eine abgebrochene Sandsteinsäule, die einerseits Mahnmal sein soll und andererseits gleichzeitig durch ihre Form auch an das zerbrochene Leben der einzelnen jüdischen Bürger erinnert.
Am Aufstellungsort der Gedenksäule stand einmal das Haus der jüdischen Familie Isak und Sarah Adler. Wie viele seiner Glaubensgenossen hatte Isak Adler einen Viehhandel, den später die Söhne weiterführten. Das Einvernehmen mit der Nachbarschaft war gut, man half der Familie am Sabbat und auch in der Zeit der Bedrängung durch die Nationalsozialisten. Eine Anekdote reicherte die Führung an: Eine Nachbarin, die wegen dieser Hilfeleistungen gewarnt wurde, erklärte: Wieso soll das gefährlich sein? Da soll mir ruhig mal einer kommen, wenn ich was Gutes tu.
Aus der Rappenauer jüdischen Familie Herbst entstammte auch der Gründer der heute noch in Mannheim existierenden Miederwarenfabrik Felina. Sein Geschäft befand sich in der Kirchstraße, heute Firma „nah und gut, Derzapf“. Die von ihm in Rappenau gegründete Korsettfabrik war so erfolgreich, dass er den Firmensitz schließlich nach Mannheim verlegen musste, wo er sich heute noch befindet.
Die Ereignisse des Novemberpogroms 1938 haben auch in Rappenau ihre Spuren hinterlassen. So wurde das Textilgeschäft von Simon Traub geplündert, Stoffballen durch die eingeschlagenen Fenster auf die Straße geworfen und von SA-Leuten nach Hause geschleppt. Mina Traub war die einzige der Rappenauer Juden, die die Deportation nach Gurs überlebte. Sie starb Anfang der 50er Jahre in USA, wohin sie nach dem Krieg zur ihrem Sohn auswandern konnte.
Den Abschluss der interessanten Führung durch das jüdische Bad Rappenau bildeten weitere Erläuterungen in den gastlichen Räumen der Privat-Brauerei Häffner. Durch die dort auch noch einsehbaren und ausgelegten Informationen konnten die Hinweise aus der Führung, für die wir Herrn Erich Schuh danken, abgerundet werden.
Ausflug nach Hochdorf ins Keltenmuseum

Im Vorspann der Tagung konnten wir am Samstag die versteckt gebaute Synagoge von 1791 in Pfaffenhofen sowie die 1822 im orientalischen Stil gebaute große Synagoge in Ingwiller besichtigen. Außerdem besuchten wir die Stadtmauer in Neuwiller-lès-Saverne mit ihren rätselhaften Inschriften. Am Abend gab es dann Flammkuchen und einen Vortrag von Monsieur Jean-Pierre Lambert zur elsässischen Geschichte.
Am 25. August 2011 fuhr der Museumsverein im Rahmen des Ferienprogamms der Gemeinde Oberderdingen ins Keltenmuseum. Trotz Termindurcheinanders im Ferienprogramm-Heft wurde es doch noch ein schöner Tag. Bei strahlend schönem Wetter fuhren wir also im fast vollen Bus nach Hochdorf.
Im Museum schauten wir zunächst einen Film über die Fundumstände und lernten viel über die Bedeutung des keltischen Fürstengrabes. Dann wurden wir durch das Museum geführt. Anschaulich und kompetent erklärte uns die Archäologin, welche Mühe man sich bei der Rekonstruktion gab und daß Grabbeigaben aus ganz Europa gefunden wurden, was auf vielfältige und weitreichende Handelsbeziehungen schon in der Bronzezeit schließen läßt. Besonders beeindruckend fanden wir die historisch gut abgesicherte Vorstellung der hier ansässigen keltischen Kelten als blau geschminkte Krieger mit langen wirren Haaren, die sogar schon über eine Vorform einer gekühlten Speisekammer in ihren Häusern verfügten und beeindruckend feine Webwaren herstellen konnten. Dieser Fürst allerdings wurde nicht mit Waffen bestattet, sondern mit Angelhaken und Metfaß. Vorsichtshalber hatte man ihm zudem die Schuhe vertauscht. Letzteres geschah wohl, damit er ja nicht auf die Idee kam, zurückzukehren. Dann beschäftigten wir uns mit der Frage, wie der Körper des Fürsten über die monatelange Bauzeit seines Grabhügels konserviert worden war. Von Seiten der Fachwelt sind Salze, Harze, aber auch Honig als Konservierungsmittel im Gespräch. Diese Vorstellung bewegte uns noch auf dem Heimweg.
Wir danken der Fa. Nonnenmann aus Knittlingen für die angenehme Fahrt, Herrn Günter Zeller für die tapfere Organisation und Frau Dr. Stork und dem Team vom Keltenmuseum für die wunderbare, lehrreiche und gleichzeitig unterhaltsame Führung.
Spannende Märchen lebendig erzählt

Viele Kinder hatten sich so darauf gefreut, wieder auf den Märchennachmittag des Museumsvereins zu kommen. Und am 16. August war es dann soweit. In der Jurte, vor dem Schloß, wie es sich gehört, am Feuer verwöhnte Herr Martin Rausch zwanzig Mädchen und Jungs mit den schönsten Geschichten.
Die Kinder hörten, wie und warum die Zwerge ihr Gold in den Löwenzahnblüten versteckten, wie der Kater mit dem Wolf und dem Bär fertig wurde und auf welche Weise der kluge Hase den mächtigen Löwen an der Nase herumführte. Und viele andere Geschichten mehr. Herrn Rausch zuzuhören war, wie immer, ein besonderer Genuß, den er ist ein hochprofessioneller Erzähler, dessen Kunst inzwischen überregional bekannt und gefragt ist. Umso mehr freute sich der Museumsverein über seine erneute Zusage. Wir danken ihm ganz herzlich für diesen rundum gelungenen Tag für alle daheimgebliebenen Kinder.
Begleitet wurden die Geschichten von einem intensiven Programm aus Bewegung und Spielen, aus Herumrennen und miteinander Aufgaben lösen, das der Pädagoge Herr Christoph Schwab aus Karlsruhe eigens für diesen Tag zusammengestellt und auf die Geschichten ausgerichtet hatte. Für Kekse und Apfelsaft sorgte Frau Sabine Zimmermann aus dem Vorstand des Museumsvereins. Wir danken zudem Herrn Volker Geisel, Frau Sabine Obhof, Frau Ellen Rausch und Herrn Volker Reeck für ihre Hilfe, Herrn Leicht von der Gemeinde für die Organisation, dem Bildungszentrum Schloß Flehingen für die Unterstützung und den Wirtsleuten vom Gasthaus Sonne für ihre spontane Schokoladenspende. Vielen Dank für Euren Einsatz und Euer Engagement.

Museumsverein zu Gast in Wollenberg/Bad Rappenau
Am 9. Juli besuchte der Museumsverein Wollenberg. Die kleine Ortschaft mit 400 Einwohnern gehört zu Bad Rappenau. Dort führte der Heimatforscher und ehemalige Lehrer Herr Rudolf Petzold uns gemeinsam mit Freunden vom Netzwerk Jüdisches Leben im Kraichgau durch die Geschichte. An dem außergewöhnlichen Rundgang nahmen auch die Wollenberger Konfirmanden teil.

Am Treffpunkt vor der Kelter begrüßte uns zunächst der Gemeinderat Herr Erwin Wagenbach von der CDU im Namen der Stadt. Anschließend gab Herr Petzold uns einen kurzen Abriß der Wollenberger Geschichte. Wir erfuhren, daß Wollenberg lange Zeit zum Besitz der Herren von Gemmingen-Guttenberg gehörte, die auch gerne Schutzjuden aufnahmen. Die jüdischen Einwohner Wollenbergs nahmen aktiv am dörflichen Leben teil und stellten von 1877 bis 1901 sogar einen der damals drei Gemeinderäte. Von den drei Gastwirtschaften am Ort wurde eine von einem jüdischen Wirt betrieben. Viele der jüdischen Gewerbetreibenden betätigten sich als Viehhändler.

1830 lebten 150 jüdische Bürger in Wollenberg, das waren fast 40% der Einwohner. Bis 1900 sank die Zahl auf nur noch 32 Personen. 1933 lebten noch 21 Juden in Wollenberg, 1940 noch elf. Sie alle wurden im Oktober 1940 nach Gurs in Südfrankreich deportiert. Von ihnen hat eine Frau überlebt, sechs Personen sind verschollen. Vor der Kirche gibt es einen Gedenkstein des Mahnmalsprojekts, der auf Initiative früherer Konfirmanden entstand.

Dann führte uns Herr Petzold in die evangelische Kirche von Wollenberg. Dort zeigten der Pfarrer, Herr Daniel Fritsch, und seine Konfirmanden uns die Kirche, in der einst ein von einem jüdischen Bürger gestifteter Kronleuchter hing, und besonders die Kanzel, in deren Schnitzwerk drei der vier Evangelisten als jüdische Rabbis dargestellt sind. Dies illustriert eindrucksvoll die lange, gemeinsame jüdisch-christliche Geschichte Wollenbergs.
Wir danken Herrn Petzold und all seinen Helfern für die informative und lehrreiche Führung, Herrn Gemeinderat Wagenbach für sein herzliches Willkommen und Herrn Dieter Bräuchle vom Gasthaus „Löwen“ für seine Gastlichkeit.

Die jüdischen Familien wohnten von 1790 an bis in das 19. Jahrhundert hinein vor allem in dem „langen Bau“ oder die „Chaserne“ genannten Gebäude mitten im Dorf. Hier waren neben Wohnungen auch die Synagoge untergebracht. Hinter dem Haus ist noch die Quelle der Mikwe erhalten.
1790 konnte der Neubau bezogen werden. 1795 wurde von der Grundherrschaft noch ein weiteres Judenhaus mit sechs Wohnungen erstellt.
Dieses lange Haus und die Mikwenquelle schauten wir anschließend an und suchen nach den noch vorhandenen Spuren der Vergangenheit.
Für viele Gäste war es nicht der erste Besuch auf einem solchen Friedhof, aber für viele der erste in Flehingen, da er gewöhnlich der Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres zugänglich ist. Er wurde bereits 1688 angelegt und mehrfach, zuletzt 1926 erweitert und liegt außerhalb zwischen Flehingen und Gochsheim. Auch die jüdischen Begräbnisse der Gemeinden Bauerbach und Gochsheim fanden dort statt. Wegen seines Alters und seiner überregionalen Bedeutung war er für die Gäste von besonderem Interesse.

Ausflug des Museumsvereins in die Raußmühle nach Eppingen
Am 4. Juni 2011, einem Samstag, nachmittags um 14:00 Uhr ging es nach Eppingen in die Raußmühle. Diese Mühle ist zwischen Gewerbegebiet und Feldern in der Elsenz-Aue gelegen und gleicht einer Reise in einer Zeitmaschine. Als erstes nehmen einen die Farben gefangen: braun und grün, Naturtöne in Stufen und Schattierungen, verwittertes Holz, Sandstein, ein paar Tupfer aus Rosen und Holunder, dazwischen bunte Enten, Hasen und anderes Federvieh. Vögel zwitschern, Gänse tratschen, Bienen summen geschäftig. Würde der Froschkönig aus dem Brunnen oder Gretel neben dem Backofen stehen, man wäre nicht verwundert. Es ist kaum möglich, sich der einzigartigen Atmosphäre der Raußmühle zu entziehen.
Der Eigentümer Frank Dähling nimmt uns freundlich in Empfang und erzählt uns in insgesamt über zwei Stunden von der Mühle und ihrer Geschichte. 1334 wurde sie erstmals erwähnt, ist aber vermutlich älter. Ihr heutiges Aussehen stammt aus der Zeit um 1765. Die Mühle beherbergt aber nicht nur die Wohnung der Dählings sondern auch eine Sammlung historischer Zeugnisse, die so wohl nirgends ihresgleichen hat: Mausefallen und Vorderlader, Anti-Atom-Schilder und Mehlsäcke, Heuwender und Fenstergläser, Nägel und Grabkreuze. Schätze, wohin das Auge blickt. Und zu allem und jedem gibt es auch gleich eine Geschichte, sei es die der ursprünglichen Verwendung, die des Erwerbs oder die der Rekonstruktion. Wir staunen, lernen und lassen uns tragen, wohin der stete Fluß aus Rede und Erinnerung uns trägt. So zahlreich die Artefakte und Gegenstände auch sind, so kunstvoll zusammengetragen, es wird uns schnell klar, daß der eigentliche Schatz der Raußmühle nur vor Ort gehoben werden kann und jedesmal neu erlebt sein will: Wir folgen Herrn Dähling auf den Spuren der Müller, der Bauern, der Handwerker, den Knechten und der Mägde, den Menschen durch die Zeit, stapfen durch den Mühlkanal, die Rauchküche, die Mahlstube und die Speicherräume. Wir erleben die Hitze des Dachstuhls und die Kühle des Mahlgangs und die staubigen Dunst der Scheunen.
Schließlich wieder im Hof angekommen, erwartet uns Brot und Leberwurst, Most und Quark. Wir tafeln darußen, unter dem Birkenbaum, wie in alten Zeiten und lassen es uns gutgehen an diesem Sommertag, immer begleitet von nimmermüden Summen der Wildbienen, die jedes Jahr wieder in die alten Körbe einziehen, als gäbe es keine Zeit, nur Jahresläufe. In der Raußmühle will man das gerne glauben.

Auf der Jahrestagung der Alemannia Judaica am 29. & 30. Oktober in Bouxwiller im Elsass
Am letzten Wochenende im Oktober fuhren einige Mitglieder des Museumsvereins ins herbstliche Elsass. Über die Einladung von Herrn Pfarrer Dr. Joachim Hahn zur Jahrestagung der Alemannia Judaica hatten wir uns außerordentlich gefreut. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum und Autor des maßgeblichen Werkes über Synagogen in Baden-Württemberg. Bei dieser Tagung trafen sich Historiker, Kulturwissenschaftler, Judaisten und andere Wissenschaftler zum Austausch mit den Institutionen, die ein Museum, eine Gedenkstätte oder einen Arbeitskreis betreiben oder die eine ehemalige Synagoge erhalten und bewahren. Der Museumsverein gehört zu den jüngsten Mitgliedern dieser Arbeitsgemeinschaft. Wir trafen auf Menschen, die teilweise vor zwanzig Jahren oder noch früher unter ähnlichen Voraussetzungen wie bei uns begannen, ihr Museum aufzubauen. Unsere Gastgeber hier in Bouxwiller haben 1983 ein baufälliges Gebäude vor dem Abriß gerettet und führen heute ein weithin bekanntes Museum, das mit 10.000 Besuchern jährlich einen maßgeblichen touristischen Faktor darstellt.
Am Sonntag vormittag begrüßte die Bürgermeisterin von Bouxwiller, Madame Danielle Buchi, die über 80 Teilnehmer aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz im Gemeindesaal des Rathauses, in dem die Tagung stattfand. Aus Frankreich waren außerdem Vertreter der Société d'Histoire des Israélites d'Alsace et de la Lorraine und der Communauté Israélite de Strasbourg und für die Bundesrepublik von der Landeszentrale für politische Bildung und der Arbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Initiativen anwesend. Dann stellten die einzelnen Institutionen und Museen ihre Arbeit mit ihren aktuellen Schwerpunkten dar, zu denen auch einige neue Bücher und Broschüren gehörten. Herr Dietmar Konanz vom Heimatverein Untergrombach e.V. berichtete beispielsweise im Namen aller Beteiligten von der Ausstellung Gegen das Vergessen – Jüdisches Leben im Kraichgau, an der unser Museumsverein auch mitarbeitete und die ja auch ab dem 10. November 2011 in Bretten zu sehen ist. Dazwischen gab es immer wieder Gelegenheit zu Gespächen und zum Erfahrungsaustausch.
Im Anschluß berichtete Monsieur Gilbert Weil von der Entwicklung des Museums in der ehemaligen Synagoge in Bouxwiller. Dieses Museum besichtigten wir dann auch nach dem Mittagsessen. Dort konnten wir auch den Nachbau eine kleinen Landsynagoge besichtigen, die auf winziger Grundfläche Thoraschrein, Lesepult und sogar eine Frauenempore unterbringt. Das war für uns Flehinger ein besonderes Erlebnis, da die alte Syngoge in Flehingen ja ganz ähnlich ausgesehen haben muß, hatte sie doch fast identische Maße und versorgte eine ganz ähnliche Bevölkerungsstruktur.
Wir danken Monsieur Jean-Pierre Lambert vom Journée Européenne de la culture Juive en Alsace und Monsieur Gilbert Weil vom Musee Judeo-Alsacien de Bouxwiller für die Tagungsorganisation, Herrn Pfarrer Dr. Joachim Hahn für die freundliche Einladung und die aufmunternden Gespräche, Dr. Michael Nemetz und Herrn Rolf Emmerich vom Museum zur Geschichte von Christen und Juden in Laupheim und Frau Dr. Margarete Kollmar vom Ludwig-Uhland-Institut in Tübingen für Ihre vielen Anregungen, der Museumspädagogin von der Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte in Rastatt für die Sponsorentipps und allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die uns so viel Ermutigung, Rat und Informationen schenkten. (ut)