Kleinere Forschungsergebnisse

Haben Sie auch eine heimatkundliche Frage? Lassen Sie sie uns zukommen und wir werden versuchen, sie zu beantworten.

Wie heißt der Brunnen gegenüber vom Flehinger Freibad?

 

Neulich erreichte uns per Mail mal wieder eine schöne heimatkundliche Frage: Wie heißt der Brunnen gegenüber vom Freibad Flehingen am Straßenrand Richtung Gochsheim? Wir hatten ziemlich schnell raus, daß ihn die Flehinger Lebrunnen, Leebrunnen oder Lehbrunnen nennen. Aber was davon ist richtig und wie ist die richtige Schreibweise? Das war schon deutlich kniffliger.

Auf der amtlichen topographischen Karte, Ausgabe 1959: Bretten, Blatt 6918, herausgegeben vom Landesvermessungsamt Baden-Württemberg haben wir ihn dann gefunden. Man schreibt ihn: Löwenbrunnen.

Amtliche Karte von 1959
Amtliche Karte von 1959

 

 

Exakter Grenzverlauf zwischen Flehingen und Sickingen

Im Frühjahr 2012 erreichte den Museumsverein eine Anfrage von außerhalb, in der wir um Klärung eines Familenstreits gebeten wurden, nämlich ob man denn nun aus Flehingen oder Sickingen stamme. Und da wir allen Zerwürfnissen über solche Fragen zuvorkommen wollten, machten wir uns schnell an die Arbeit.

Erstes Herumfragen ergab, daß die Grenze zwar so ungefähr bekannt war, aber eben nicht ganz genau, d.h. unter Zuordnung jedes einzelnen Grundstücks lokalisierbar war. Die Zwangsgemeinschaft vom April 1936 war einigen Bürgern noch in Erinnerung, aber der genaue vorherige Grenzverlauf? Nein, damit konnte niemand dienen und mit nachprüfbaren Quellen schon gar nicht.

Erst als es uns gelang, antiquarisch eine amtliche topographische Karte von 1908 zu erwerben, konnte die Sache eindeutig geklärt werden. Darin war der Grenzverlauf eingezeichnet, wenn auch mit dem damaligen Stand. Ein Vergleich mit heutigen Plänen ergab aber, daß die Grenze, sofern man mal weiß, wo sie lag, sogar noch in heutigen Plänen sichtbar ist, nämlich in den Flurstücksnummern: die Flehinger sind in der Regel drei-, die Sickinger vierstellig.

Die Erklärung dafür ist einfach: Bei der Vereinigung waren viele Ordnungszahlen nun doppelt vorhanden, weil bisher jedes Dorf einzeln durchnummeriert hatte. In der neuen Gemeinde hätte dies zu Mißverständnissen führen können, deshalb erhielten die Sickinger Grundstücke eine Ziffer 6 vor die ursprüngliche Zahl. Nur bei den Grundstücken jenseits der Bahnhofsstraße fanden vierstellige Nummern (mit erster Ziffer 4) für Flehinger Grundstücke Verwendung, diesmal wohl aber, um Verwechslungen mit Nummern in Oberderdingen vorzubeugen. Das Prinzip war jedoch das gleiche. Innerhalb der bebauten Gebiete, kann daher zentimetergenau angegeben werden, was einst Sickingen und was einmal Flehingen war.

Und bevor bei Ihnen diese Diskussion auch den Familienfrieden stört: Weiter unten  stehen nunmehr Pläne des exakten Verlaufs zum Herunterladen jedermann zur Verfügung.

Wir danken der Familie Wirth für die nette Anregung zu dieser Recherche und unserem Vereinsgeographen Herrn Wolfgang Schönfeld für die wissenschaftliche Unterstützung in Sachen Kartographie.

Zur besseren Orientierung sind hier noch ein paar Aufnahmen von der Grenze.

Grenze Flehingen Sickingen.jpg
JPG Bild 777.6 KB
Grenze_Flehingen_Sickingen.jpg
JPG Bild 221.4 KB

Grabsteine von Flehingern in Gurs/Frankreich

 

Ins Camp de Gurs wurden im Rahmen der Deportation am 22. Oktober 1940 aus dem Deutschen Reich 6.538 deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens verschleppt. Darunter waren neun Menschen aus Flehingen. Von den Deportierten starben noch im Lager Gurs über 2.000 an den dortigen katastrophalen Bedingungen. Wer überlebte wurde später in die Konzentrationslager gebracht und dort ermordet. Kaum jemandem gelang ein Entkommen.

Unter den in Gurs Verstorbenen waren auch zwei Flehinger: Siegmund Uhl, geboren am 28.6.1876 in Flehingen, gestorben am 30.1.1941, und Elias Heidelberger, geboren am 15. Februar 1869 in Flehingen, gestorben am 1. Dezember 1940 im Lager Gurs. An Siegmund Uhl erinnert in Flehingen auch ein Stolperstein.

  Frau Heidi Leins aus Bretten, mit der uns ja auch schon die Arbeit am jüdischen Viehhandel verbindet, fuhr im Oktober 2011 nach Gurs. Sie suchte auch für uns nach Grabsteinen und wurde fündig. Vielen Dank für diese Nachforschungen. Hier sind ihre Bilder. 

 

 

Neue „Zeichen jüdischen Lebens“ in Flehingen gefunden

Lageplan (Copyright by Wolfgang Schönfeld)
Lageplan (Copyright by Wolfgang Schönfeld)

 

Am Freitag, 06. Mai 2011 hatte der Museumsverein Flehingen-Sickingen e.V. den Partnerverein Jüdisches Leben Kraichgau e.V. aus Eppingen zu einer Exkursion zu Gast. Die Veranstaltung stieß auf sehr großes Interesse, was die vielfältigen Nachfragen und Rückfragen auch noch Tage danach bestätigen. Angeregt durch diesen Erfolg fanden in den letzten Tagen weitere Recherchen statt, die umgehend auch neue Erkenntnisse über ehemalige Einrichtung aus dem früheren Leben der jüdischen Gemeinde erbrachten.

    So bestand bisher Unsicherheit darüber, an welcher Stelle auf dem Gemeindegebiet das alte Judenbad (Mikwe) zu suchen war. Auf heutigen Katasterkarten ist diese Lage nicht ausfindig zu machen, da das dazu verwendete Grundstück mittlerweile in einem anderen Grundstück aufgegangen ist. Es konnte aber mit Hilfe eines Gemarkungsatlas aus dem Jahr 1863(1), der beim Vermessungsamt in Karlsruhe vorliegt, am Kohlbach das Grundstück ausfindig gemacht werden, das zur Nutzung als Mikwe geeignet war. Die Bachnähe war zwingend.

     Es fehlte nur noch ein Beweis mit Hilfe anderer Quellen, der möglich wurde durch Akten aus dem Grundbuchamt Flehingen. Dort taucht im Lagerbuch der Gemeinde Flehingen(2) für das Jahr 1880 unter der Flurstücknummer 431 der Hinweis auf „Hierauf steht das Judenbad“. Als Eigentümer ist die Israelitische Gemeinde Flehingen eingetragen.

     Im Grundbuch 24 ist ab Seite 98 unter der Nummer 15 der Kaufvertrag nachzulesen, der am 25. Oktober 1881 zwischen dem Landwirt Andreas Friedrich Wirthwein und der israelitschen Gemeinde abgeschlossen wurde. Das Grundstück mit der Lagerbuch-Nr. 431 wird in seiner Lage beschrieben: „ Das Eigenthum der israelitischen Gemeinde grenzt nun gegen Westen an den Garten der David Stahl Erben, gegen Norden und Osten an den Garten des Verkäufers Fried. Wirthwein und gegen Süden unmittelbar an den Kohlbach, wie dies zur Zeit abgemarkt ist.“(3)

Als Kaufbedingung wurde unter anderem in den Vertrag aufgenommen, dass dem Verkäufer „ferner der jeweilige Holzwuchs von den hinter dem isrl. Badhäuschen stehenden Weidenbäumen unendgeldlich“ zusteht. Das Grundstück wechselt für den Preis von 60 Mark den Besitzer.

     Aus einem Schreiben des Synagogenrates vom 16. Oktober 1904 an das Großherzogliche Bezirksamt Bretten ist etwas zu erfahren über die bauliche Beschaffenheit des Badhauses ab dem Zeitpunkt des Grundstückserwerbs. „Da das jetzige bzw. bisherige [Frauenbad] seit einer Reihe von Jahren immer Renovationen erforderte, was immer zu beträchtlichen Aufwendungen für dasselbe führte, hat sich die isr. Gemeinde nach reiflicher Überlegung in Beratung zu einem Neubau entschlossen“(4) und in einem weiteren Schreiben teilt der Synagogenrat dem Bezirksamt Bretten mit: Wie es Großh. Bez. Amt Bretten bekannt ist, beabsichtigt die hiesige isr. Gemeinde den Neubau eines rituellen Frauenbades, da das bisherige seinem Zweck sowohl in religiöser als auch in hygienischer Hinsicht nicht mehr entspricht u. eine Renovation desselben zu viel kosten würde.“(5)

    Bei der Planung des Neubaus spielt es eine wichtige Rolle, wie die dafür nötigen Gelder aufgebracht werden sollen. Es ist geplant, das alte Frauenbad zu verkaufen und eventuell aus diesem Verkauf die Summe von 200 bis 300 Mark zu erlösen. Diese Gelder sollen der Finanzierung des Neubaus zugute kommen. Sollten wir zu demselben keinen Kaufliebhaber finden, so würden wir solches abbrechen lassen u. die Baumaterialien zum neuen verwenden, aus dem Platze ließe sich auch wenn auch ein kleiner Erlös erzielen“ heißt es im gleichen bereits erwähnten Schreiben. Mit Schreiben vom 2. Juni 1906 erteilt das Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts in Karlsruhe die staatliche Genehmigung zum Verkauf des alten Frauenbades (6) und im Jahr 1910 ist schließlich ein Käufer gefunden. Es handelt sich um den Landwirt Karl Pfersching aus Flehingen." Er kauft am 10. Dezember 1910 das Judenbad zum Preis von 230 Mark(7).

    Um die Nachweise für die tatsächliche Existenz des Judenbads an dieser Stelle noch abzurunden, konnten noch weitere interessante Hinweise gefunden werden, die mit den Rechten zusammenhängen, die auf einem angrenzenden Grundstück lagen. So geben weitere Eintragungen aus dem Grundbuch der Gemeinde Flehingen über folgendes Auskunft: „Dem Eigentümer steht ein Fußwegrecht über den Hof und Garten der Grundstücke Nr. 429 und 430 zu nach Maßgabe des Grundstückeintrags vom 25. Oktober 1881, Band 24 Nr. 15, Seite 98“ (8). Alle diese Eintragungen stammen ursprünglich aus den Kaufbedingungen des Kaufvertrags zwischen Landwirt Wirthwein und der israelitischen Gemeinde vom 25. Oktober 1881. Darin heißt es unter Punkt 5: „Über den Hof und Garten des Verkäufers neben der Scheuer des Letzteren hat die Käuferin ein Wegrecht zu ihrem am Kohlbach stehenden Badhäuschen. Unter diesem Weg ist ein Meter breiter Fußpfad zu verstehen. Dem Verkäufer ist gestattet, diesen Fußpfad weiter in seinen Garten hinein zu verlegen auf den Fall er von dem bisherigen Fußweg einen Theil als Bauplatz bei etwaiger Neuherstellung seines östlichen Scheuergiebels nöthig hat.“(9)

     So erschließt sich letztlich aus mehreren Quellen die Nutzung und Geschichte des Grundstücks Nr. 431. Seine Existenz ist in heutigen Plänen nicht mehr ersichtlich, weil es 1977 zur Verschmelzung der beiden Grundstücke 430 und 431 kam. Nur noch die Flurstücknummer 430 ist zu finden.

     Aus der beigefügten Skizze, gezeichnet nach dem Gemarkungsplan von 1863, wird ersichtlich, dass das am Kohlbach gelegene Judenbad von der heutigen Samuel-Friedrich-Sauter-Straße Nr. 4 über den Hof und Garten des Grundstücks von Landwirt Pfersching erreicht werden konnte. Für die vielen jüdischen Familien, die das heutige Gebiet der Samuel-Friedrich-Sauter-Straße bewohnten, bot sich somit jederzeit die Möglichkeit, für rituelle Zwecke das Badhaus aufzusuchen.

     So ist mittlerweile durch die Arbeit des Museumsvereins ein weiterer Mosaikstein zur Dokumentation des ehemaligen jüdischen Lebens in Flehingen gefunden worden und bereichert die Aufarbeitung der Geschichte der früheren Israelitischen Gemeinde Flehingen. (ws)

 

(1) Atlas der Gemarkung Flehingen, Band I, bearbeitet in Gemäßheit des Gesetzes vom 26. März 1852 unter Obsorge der Staatsverwaltung in den Jahren 1863 bis 1867

(2) Lagerbuch der Gemeinde Flehingen, Band I, Nr. 1 bis mit 1594, aufgestellt nach dem Stande vom 1. September 1880

(3) Gemeinde Flehingen, Grundbuch 24 Nr. 15 Seiten 99/100

(4) Generallandesarchiv Karlsruhe, Bestand 357 Nr. 11250

(5) Generallandesarchiv Karlsruhe, Bestand 357 Nr. 11250, Schreiben vom 2. März 1906

(6) Grundbuchamt Flehingen, Grundakten zu Grundbuch Band 3, Heft 4, Aktenseite 59

(7) Grundbuchamt Flehingen, Grundakten zu Grundbuch Band 3, Heft 4, Aktenseiten 55 bis 58

(8) Grundbuchamt Flehingen, Grundakten zu Grundbuch Band 8, Heft 5, Seite 3, zu lfd. Nr. 1, Eintrag zu den auf dem Grundstück liegenden Rechten

(9)  Grundbuchamt Flehingen, Grundbuch 24 Nr. 15, Seiten 100/101